tja meine lieben, es wird zeit für etwas autobiografisches. etwas, das mich schwer beschäftigt, weshalb ich beschlossen habe, es aufzuschreiben. ich habe eine harte zeit hinter mir und ohne es aufzuschreiben, wäre ich geplatzt. deshalb will ich es jetzt auch öffentlich machen.
Alles fing damit an, dass sie es endlich geschafft hatte. Ein Date. Nach so lange Zeit, nach einer Zeit voller Einsamkeit. Einer Zeit, die für sie eine einzige Prüfung gewesen war. Eine Geduldsprobe sozusagen. Als sie aus dem Ausland zurück gekommen war, wo sie endlich die ersten Schritte in Richtung Selbstständigkeit gemacht hatte, musste sie feststellen, dass sich zu Hause nichts, aber auch gar nichts verändert hatte. Es war einfach unerträglich. Teilweise sah es sogar so aus, als würde keiner in ihrem Umfeld bemerken, dass sie sich verändert hatte. Ganz besonders in den letzten Monaten, wo sie auch noch diesen netten, wenn auch nicht ganz standesgemäßen Engländer kennen gelernt hatte. Aber zu Hause war alles beim Alten geblieben und ihre Familie schien sich noch nicht einmal daran zu stören. Ihr jedoch wurde dieser Dorfmief bald zuviel. Sie wollte raus, die Welt und andere Menschen kennen lernen. Aber man engte sie ein. Alle um sie herum wollten etwas von ihr, wollten sie für sich vereinnahmen. Und sie ließ es mit sich geschehen. Fügte sich in die alte Ordnung, weil man ihr nie beigebracht hatte, dass sie sich auch wehren konnte. Weil es ihr wie ein Verrat vorgekommen wäre, sich gegen ihre Familie zu stellen. Nicht lange nach dieser Zeit der Prüfung fing alles an, der Anfang vom Ende sozusagen, oder auch einfach nur ein Neubeginn? Das konnte sie noch nicht beantworten. Mit dieser Frage wollte sie sich Zeit lassen. Erst einmal wollte sie versuchen, ihr Leben selbst zu managen und sich nicht mehr durch andere verunsichern zu lassen. Es begann alles eines Abends kurz vor Weihnachten. Wie jeden Abend saß sie lustlos vor ihrem Laptop und las ihre Emails und surfte im Internet. Sie hatte ja nichts Besseres zu tun. Keiner wartete auf sie und so lange sie mit dem Laptop auf den Knien bei ihrer Familie vor dem Fernseher saß, machten ihre Eltern auch keine Szene. Schließlich wäre es ja ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, einfach so auszugehen und sich mit Freunden zu treffen. An Weihnachten macht man sowas ja nicht. Alles schien glücklich und zufrieden. War es auch, zumindest oberflächlich.
Alles fing an mit einer Nachricht. Einer Nachricht von ihm. Sie hatte ihn auf einer Geburtstagsfeier kennen gelernt und er hatte sie damals auch heimgefahren. Sie hatten noch ein zwei Nachrichten damals ausgetauscht, aber dann war der Kontakt irgendwie wieder abgebrochen. Sie machte sich nicht allzu viele Gedanken darüber, schließlich war es ihr schon öfter passiert, dass sie Kontakte zu anderen nicht aufrecht erhalten konnte. Es war in der Schule schon so gewesen, dass sie ab und zu einfach in die Außenseiterrolle geriet, vielleicht war sie auch einfach anders. Aber so manches Mal waren ihre Eltern einfach zu störrisch. Sie befürchtete, das würde sich auch so lange nicht ändern, bis sie zu Hause ausgezogen wäre. Lediglich: Wie sag ichs meinen Eltern? Das sie mit dem Gedanken spielte, würden sie wohl wissen, aber sie ahnte, dass es Streit geben würde, wenn sie vor ihrem Abschluss zu Hause ausziehen würde. Nun aber zurück zur Nachricht. Es war nichts Spektakuläres, was er da schrieb. Nur, dass er gesehen habe, dass sie online sei und wie es ihr so gehe. Und sie entschloss sich spontan zu antworten. Nicht viel, aber soviel, dass er merken sollte, dass sie nicht abgeneigt wäre, öfter von ihm zu hören. Oh Wunder, er ging darauf ein. Und bald hatten sie nicht nur Emailadressen ausgetauscht, sondern chatteten allabendlich mindestens ein paar Stunden miteinander. Sie ging jeden Abend mit Herzklopfen ins Internet, in der Hoffnung, dass er da sein würde und ihre Hoffnung wurde nur selten enttäuscht. Sie stellten fest, dass sie sich trotz aller Unterschiede doch sehr ähnlich waren; manchmal dachten sie sogar das gleiche. Es war regelrecht unheimlich. Je mehr sie miteinander redeten, umso deutlicher wurde es ihr, dass sie hier ein Exemplar der Spezies Mann vor sich hatte, der es definitiv wert war, dass man sich länger mit ihm beschäftigte. Und so tat sie das auch. Die Gespräche wurden eindeutiger oder auch zweideutiger, alles Definitionssache. Und schließlich stellte er die alles entscheidende Frage und bat sie um ein Date. In ihrem Überschwang, denn sie wusste, sie wollte diesen Menschen näher kennen lernen und auch in natura mit ihm reden, sagte sie zu, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie das ihren Eltern beibringen würde. Denn die waren es nun einmal nicht von ihrer Tochter gewöhnt, dass sie Männer mit ins Haus brachte. Sie hatten ja noch nicht einmal davon gewusst, als sie damals das erste Mal so richtig schlimm und unglücklich verliebt gewesen war. In ihren Augen musste sie wohl wirken wie ein Holzklotz. Sie entschied sich dafür, den geradlinigsten Weg zu gehen und platzte am nächsten Morgen einfach mit der frohen Botschaft der Verabredung raus. Alle um sie herum waren furchtbar erstaunt. Es sah fast so aus, als würden sie ihr nicht zutrauen, dass sich mal endlich ein Mann für sie interessierte. In letzter Zeit hatte es immer mehr Andeutungen gegeben, die bewiesen, dass ihre Familie sie schon für nicht mehr ganz dicht hielt, weil sie immer noch Single war (von ihrer Affäre in England hatte sie ja nicht erzählen können). Ihre Mutter wollte also schnellstmöglich ein Bild von diesem Menschen sehen, der es geschafft hatte, ihre Tochter aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Genau da lag aber für sie schon das Problem. Sie ahnte, dass er ihren Eltern nicht gefallen würde. Allein rein optisch. Aber noch hatte sie ja keine Ahnung, was sich aus ihrer Verabredung noch ergeben würde. Also war es ihr für den Moment egal. Sie freute sich auf jeden Fall darauf, ihn zu sehen und mit ihm auszugehen. Ihre Eltern sollten für den Moment denken dürfen, was sie wollten, sie war einfach nur glücklich darüber, dass er sie gefragt hatte und dass er wirklich ein netter Kerl zu sein schien. Schließlich wollte er sie ja auch ganz gentlemanlike zu Hause abholen und sich bei der Gelegenheit gleich mal ihren Eltern vorstellen. Sie fürchtete, dass das keine gute Idee war, weil ihre Eltern sehr speziell waren, aber sie wollte ihn nicht verstecken, denn schließlich war er ihr wichtig geworden und ans Herz gewachsen. Trotz der kurzen Zeit, die sie nur miteinander geredet hatten.
Der Tag des ersten Dates rückte näher und an besagtem Samstag war mit ihr nichts anzufangen. Sie konnte kaum essen und trinken, still sitzen ging schon gar nicht. Es war einfach furchtbar. Alle fünf Minuten sah sie zur Uhr und der Zeiger wollte einfach nicht weiterrücken. Bis zum Schluss, bis es klingelte und er vor der Tür stand, fürchtete sie, dass er nicht kommen würde. Aber er kam und er war genauso gentlemanlike, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Nachdem er ihre Eltern kurz begrüßt hatte, lotste sie ihn aus der Wohnung raus, damit er den Schock zweier auf ihn zustürmender Eltern überwinden würde. Sie entschuldigte sich gleich bei ihm für den Überfall, aber es schien ihm nichts auszumachen. Im Gegenteil, er beruhigte sie immer wieder, dass das doch ganz normal sei. Sie fuhren zum Kino zusammen und kauften Karten, bevor sie in ihre Lieblingskneipe fuhren, um dort noch etwas zu essen, bis der Film anfing. Schon beim Essen schienen beide zu fühlen, dass da mehr war. Keiner traute sich so recht, aber es knisterte merklich. Obwohl beide vorher geschworen hatten, dass flirten ihnen nicht leicht fiele und über Internet eh viel einfacher sei, funktionierte es doch sehr gut. Mehr als das. Auf Anhieb bestand eine Verbindung zwischen ihnen, dass sie sich mehrmals heimlich fragte, ob das wohl das sei, was man generell unter Seelenverwandtschaft bezeichnet. Nach dem Essen machten sie sich auf den Weg ins Auto und er legte zum ersten Mal seinen Arm um sie. Noch etwas unbeholfen, schließlich fehlte es ihr an Erfahrung, gingen sie nebeneinander her. Wie er später erzählte, hatte er schon da heimlich den Wunsch gehegt, sie zu küssen, sich aber dann doch nicht getraut. Im Kino angekommen, nachdem der Film angefangen hatte, schaltete sie zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Gehirn aus und versuchte, sich auf ihre Gefühle zu konzentrieren. Denn da waren Gefühle für diesen Menschen. Besondere Gefühle, wie sie sie schon lange nicht mehr gehabt hatte. Er war ihr so nah, hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt und er streichelte ihr ganz sanft über den Arm. Sie fühlte sich so wohl wie noch nie in ihrem Leben. Bis heute hat sie keine Ahnung, worum es in dem Film ging; sie war mit anderem beschäftigt. Endlich war der Film zu Ende und er nahm all seinen Mut zusammen und küsste sie. Und sie küsste zurück, denn das hatte sie sich die ganze Zeit schon gewünscht. Sie hatte nur nicht gewusst, wie sie es anstellen sollte. Sie fühlte sich reichlich ungeschickt, denn nach dem Engländer war er gerade mal der zweite Mann in ihrem Leben, und das, obwohl sie schon 24 war. Aber es war ihr egal. Sie kannte ihn aus ihren Gesprächen und sie wusste, dass ihre Gefühle bei ihm gut aufgehoben waren. Sie ließ sich fallen. Nach dem Kino wollten sich beide noch nicht wieder trennen, immerhin war das noch ganz frisch mit ihnen. Sie konnte es nicht fassen und saß ihm in der Kneipe vollkommen perplex und wie blöd grinsend gegenüber. Er hielt ihre Hand und sie hörte zum ersten Mal im Leben die Sätze, die sie schon immer hören wollte. Ihre Freunde erkundigten sich bei beiden, wie es denn liefe und sie lasen sich gegenseitig vor, was sie zurückgeschrieben hatten. Seine Antwort auf die SMS einer Freundin beeindruckte sie abgrundtief: Volltreffer stand da auf dem Display seines Handys. Es war herrlich. Dennoch wusste sie, dass sie ihre Eltern nicht so lange warten lassen durfte und drängte dann nach einer Weile auch zum Aufbruch. Auch musste er ja noch den weiten Heimweg antreten. Er brachte sie also nach Hause. Sie hätte ihn so gerne noch mit ins Haus gebeten. Aber sie wusste, dass sie das ihren Eltern nicht antun konnte, einen wildfremden Mann mitten in der Nacht, denn es war schon spät, mit hinein zu nehmen. So standen sie dann noch sehr lange knutschend und flüsternd vor der Haustür. Sie versicherte ihm tausend Mal, dass sie es nicht fassen könne und traute sich auch, ihm davon zu erzählen, dass er ihr erster Freund war. Der Engländer war ja nur eine Affäre gewesen. Er erschrak im ersten Moment, aber fing sich gleich wieder und sah nach einer Weile auch so aus, als könne er damit leben.
Sie wussten nicht, wann sie sich wieder sehen würden. Er drängte sie, ihre Verabredung für Silvester abzusagen und statt dessen zu ihm zu kommen. Aber sie musste das erst überdenken und mit ihrer Freundin besprechen. Sie versprach ihm drüber nachzudenken. In Wahrheit ging es ihr weniger um ihre Freundin als vielmehr darum, wie sie ihren Eltern wohl klar machen könnte, dass sie bei einem Mann übernachten würde, sogar im selben Bett, den sie kaum kannte. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Und das tat sie auch nicht. Sie besprach sich mit ihrer Freundin und als sie diese aus der Verpflichtung entließ, sagte sie ihm zu. Schweren Herzens, denn sie hatte beschlossen, ihre Eltern da ganz außen vor zu lassen und ihnen gegenüber einfach nur zu behaupten, dass sie zu ihrer Freundin fuhr. Mit einem rabenschwarzen Gewissen, aber überglücklich klingelte sie an Silvester an seiner Tür. Es war ein Gefühl wie Heimkommen, Ankommen. Seine Eltern hießen sie sofort herzlich willkommen. Sie fühlte sich wie zu Hause. Nein, besser. Er war immer und überall in ihrer Nähe und sie fühlte sich so begehrenswert wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Das also schien das perfekte Glück zu sein. Sie verbrachte mit ihm eines der schönsten Silvester ihres Lebens. Auch wenn sie auf der Party, auf die sie ging, kaum jemanden kannte. Es war ihr egal. Sie wusste, sie würde alles schaffen können, solange er nur bei ihr war. Und das war er ja. Es wurde nicht nur der schönste Abend, sondern auch die erste Nacht, die sie tatsächlich komplett mit einem Mann verbrachte. Eine Nacht, die sie nie vergessen würde. Er gab ihr so viel, dass sie befürchtete, das alles nie zurückgeben zu können.
In den nächsten zwei drei Wochen schien alles zu laufen wie im Bilderbuch. Sie war einfach nur glücklich, wenn sie bei ihm war. Dennoch hatte sie manchmal das Gefühl, dass es ihre Eltern nicht gerne sahen, wenn sie mit ihm zusammen war. Doch sie schob es im ersten Moment darauf, dass ihre Eltern vielleicht Angst haben könnten, dass sie schwanger würde. Schließlich nahm sie ja die Pille noch nicht. Aber das ließ sich ja ändern, was sie auch tat. Für sie war das Leben perfekt. Wenn, ja wenn da nicht so ein kleines Detail gewesen wäre. Ihre Eltern bestanden doch tatsächlich darauf, dass er auf der Couch übernachtete, wenn er da war. Das konnte sie natürlich nicht ändern, aber dann schlief sie eben auch da. Wenn ihre Eltern so verhindern wollten, dass sie miteinander schliefen, dann musste sie sie aber enttäuschen. Wenn sie auch nie so entspannt war bei sich zu Hause wie bei ihm. Aber es war ihr auch im Moment egal. Denn sie hoffte immer noch, ihre Eltern würden sich irgendwann an ihn gewöhnen. In der folgenden Zeit versuchte sie, soviel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Jeder, außer ihren Eltern, sah das ein. Denn schließlich sahen sie sich fast nur am Wochenende und auch da hatte sie immer das Gefühl, sich zu Hause rechtfertigen zu müssen, wenn sie zu ihm fuhr. Eigentlich eine Unverschämtheit. Zu Hause hagelte es schon Vorwürfe, dass man sie ja nicht mehr sehen würde und dass sie nicht mehr helfen würde. Dass sie sich verändert hätte. Sie hatte sich schon länger an diese Sätze gewöhnt, weil sie die auch zu früheren Zeiten gehört hatte. Aber im Nachhinein hätten damals schon die Alarmglocken klingeln sollen. Sie riss sich also für einen Tag los, schuftete während der Woche wie bescheuert, damit sie die Wochenenden frei hatte. Doch ihren Eltern schien irgendetwas nicht zu passen. Um mehr Zeit mit ihm zu verbringen, fuhr sie mit ihm zu seinen Freunden. Auch wenn sie das Spiel nicht wirklich reizte, aber sie wollte doch sehen, was er da mit seinen Freunden veranstaltete und wie es abläuft. Sie fuhr mit ihm weg nach Hannover zu einer Messe, ein Wochenende. Einfach nur, um bei ihm zu sein. Sie wusste, dass das Wochenende verdammt hart werden würde, aber sie wollte Zeit mit ihm verbringen. Schließlich kam die Woche, in der sie beide Urlaub hatten. Lange hatte sie geplant, wann sie wo sein würden. Und sie hatten ein System entwickelt, bei dem weder seine noch ihre Familie zu kurz kommen würde, denn sie befürchtete, dass man ihr genau das zum Vorwurf machen würde. Aber er hatte sehr lange nachgedacht darüber und es so gedeichselt, dass jede Familie etwas von den Ferien hatte.
Es lief alles herrlich, bis ihre Eltern anfingen durchzudrehen. Anstatt ihn so willkommen zu heißen, wie es seine Eltern mit ihr gemacht hatten, benahmen ihre Eltern sich wie die letzten Angeber. Es war ihnen nicht recht, wenn er sich selbstständig Wasser nahm, wenn er nur sie fragte, ob er telefonieren oder im Internet surfen könne. Der erste Streit bahnte sich an. Sie ahnte das, duckte sich aber und fuhr wutentbrannt mit ihm zu seiner Familie. In der Hoffnung, dort diesen ganzen Stress vergessen zu können, der sie zu Hause immer erwartete, wenn sie von ihm zurückkam. Nach Ostern passierte es dann. Es war ein Dienstag, als der Anruf ihrer Mutter kam. Sie müssten reden. Und dafür solle sie schnellstmöglich nach Hause kommen, und zwar ohne ihn. Auf ihr Drängen hin, was denn jetzt plötzlich los sei und was sie denn falsch gemacht hatte, tickte ihre Mutter vollends aus und fing an, ihre Hasstirade auf ihn loszulassen. Am Telefon. Sie ließ ihrer Tochter nicht die Möglichkeit ihn auch nur zu verteidigen. Nein, sie sollte nur nach Hause kommen. Ihre Eltern gaben es nun endlich zu, was sie schon so lange vermutet hatte: Sie konnten ihren Freund nicht leiden. Nicht im geringsten. Es tat weh. So weh, dass sie ihm alles erzählte, denn schließlich war er der Mensch, dem sie am meisten auf der Welt vertraute. Er war fassungslos, versuchte aber seine Gefühle hintan zu stellen und sich ganz auf sie zu konzentrieren und darauf, wie er ihr helfen konnte. Sie weinte und weinte. Stundenlang. So lange, bis sie dann doch ihre Sachen packte und nach Hause fuhr. Denn schließlich waren es ihre Eltern und mit denen musste man doch auskommen, oder? Die Heimfahrt war eine einzige Tortur. Sie konnte sich auf nichts konzentrieren und hatte Angst, riesige Angst davor, was sie zu Hause wohl erwarten würde. Und genau das brach über sie herein. Ihre Eltern konfrontierten sie damit, dass sie ihn nicht leiden konnten. Dass sie es angeblich versucht hätten, aber es nicht ginge. Dass er nicht wüsste, wie man sich benimmt, wenn man irgendwo fremd ist. Sie warfen ihr so viele schlimme Dinge an den Kopf über ihn, dass sie wieder nicht aus dem Weinen herauskam, sondern ununterbrochen weiter weinte. Ihre Mutter nahm sie in den Arm und versprach ihr, dass sie nur das Beste wollten für sie und ihr nicht weh tun wollten, was sie aber genau dadurch taten, dass sie ihr so auflauerten. Aber sie sagte es ihnen nicht. Sie fragte nur schüchtern, ob sie sich trennen müsste. Ihre Eltern verneinten mit den Worten „noch nicht“, was sie schon hätte stutzig machen sollen; sie solle aber dafür sorgen, dass er nicht mehr hier auftauche.
Der Tag, der Urlaub, schien für sie gelaufen. Sie verkroch sich vor dem Fernseher und schlief und schlief. Sie war so müde. Doch jedes Mal, wenn sie aufwachte, hatte das Problem immer noch Bestand. Es war einfach nicht zu lösen. Sie sprach mit ihm darüber und verletzte ihn schwer, als sie immer wieder betonte, sie könne sich nicht gegen ihre Eltern auflehnen. Er weinte und flehte und je mehr er das tat, umso schlechter wurde auch ihre Gewissen ihm gegenüber. Sie wollte und konnte nicht mehr. Sie hörte auf, zu essen. Nur ein paar Bissen zwang sie über den Tag verteilt ihre Kehle hinunter, um weitermachen zu können. Es war einfach furchtbar. Sie sprach mit Freunden darüber, die alle derselben Meinung waren wie er, nämlich, dass sie sich so etwas nicht bieten lassen dürfe, Eltern hin oder her. Aber sie haderte mit sich selbst. Sie war so erzogen worden, dass das Wort ihrer Eltern Gesetz war. Und sie zweifelte, dass ihre Liebe zu ihm stark genug sein würde, um diese Geschichte zu verkraften. Eine lange Woche zwang sie sich ein normales Leben auf. Er wollte sie immer wieder sehen, aber sie kniff ein ums andere Mal, weil sie nicht wusste, wie sie es ihren Eltern erklären sollte. Doch irgendwann hielt sie die Trennung und die Sehnsucht nach ihm nicht mehr aus. Sie fuhr zu ihm, nachdem sie sich bei ihrer Freundin ein Alibi verschafft hatte. Sie wollten ins Kino, aber sie fuhr statt dessen den ganzen Weg zu ihm. Mal wieder mit einem rabenschwarzen Gewissen, aber auch in der Gewissheit, dass es nun einmal nicht anders machbar wäre. Er erwartete sie. Er war da. Er gab ihr genau das, was sie brauchte, was sie in den letzten Tagen so schmerzlich vermisst hatte. Alle Dämme brachen und wieder weinte sie all die Tränen, die sie in letzter Zeit zurückgehalten hatte. Ihr Entschluss, von zu Hause auszuziehen, festigte sich. Ihr wurde mehr und mehr klar, dass es hier nicht mehr nur um ihn ging, sondern dass ihre Eltern ihr gerade auch verbieten wollten, auf eigenen Beinen zu stehen. Und das mit fast fünfundzwanzig. Sie konnte nicht mehr. Sie musste aus diesem Gefängnis, diesem goldenen Käfig endlich raus. Irgendwie. Nur über das Wie hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. Schon als sie damals den Job angenommen hatte als Nachhilfekraft in einem Lernstudio, hatte sie mit dem Gedanken gespielt, auszuziehen und dafür dieses Geld zu verwenden, weil sie gewusst hatte, dass sie mit dem Auszug ihre Unabhängigkeitserklärung und ihre Scheidung von den Eltern unterschreiben würde, die sie in keinstem Maße in ihrem Vorhaben unterstützen würden. Nach nur zwei Stunden, die sie in seinen Armen verbringen konnte, musste sie wieder zurück. Wie im Film kam ihr die Atmosphäre vor, es war dunkel, kalt und es schneite, was das Zeug hielt. Sie hatte einerseits Angst, dass ihr etwas passieren könnte, aber andererseits wären dadurch auch all ihre Probleme gelöst. Zu Hause hatte sich nichts geändert. Im Gegenteil, die Fronten verhärteten sich immer mehr. Solange, bis ihre Eltern sie tatsächlich vor die Wahl stellten, er oder sie. Sie würden es nicht mit ansehen, wie ihre Tochter sich an einen solchen Menschen verschenkt. Ihre Eltern hatten keine Ahnung, wie sehr sie sie damit trafen. Sie redete nicht mehr zu Hause, sie quälte sich morgens spät aus dem Bett und ging früher in die Nachhilfe, damit sie noch mit ihm telefonieren konnte. Von zu Hause aus war das ja nicht mehr möglich. Es war schrecklich. Sobald sie sich ins Auto setzte und losfuhr, hatte sie nur noch einen Gedanken, den daran, wie es sich wohl anfühlen mag, wenn man mit dem Auto gegen einen Baum fährt. Sie hatte keine Chance mehr, ihre Gedanken zu ordnen. Nur ein Gedanke haftete in ihrem Kopf: Ich kann ihn nicht fallen lassen. Ich liebe ihn. Aber sie war immer noch so erzogen, dass sie ihren Eltern nicht widersprechen wollte. Sie haderte mit sich selbst. Der Entschluss, von „zu Hause“ zu fliehen, wurde immer stärker. Sie konnte es in diesem Käfig nicht mehr aushalten, in den ihre Eltern sie gezwängt hatten. Was wussten sie schon, wer sie war? Sie sahen eine Idealfigur in ihr, die sie nicht mehr war, seit sie aus dem Ausland zurückgekommen war. Ihre Prioritäten hatten sich geändert. Ja, ihr Studium war ihr immer noch wichtig und sie wusste genau, was sie beruflich erreichen wollte. Aber sie hatte auch erkannt, dass das Leben ohne Freunde und Spaß einfach nicht lebenswert ist. Nie. Und genau das hatten ihre Eltern noch nicht bemerkt. Sie sprach lange mit ihm darüber und schließlich planten sie ihre „Flucht“ für Samstag. Sie konnte einfach nicht mehr. Noch ein paar Tage länger und der morbide Gedanke an Selbstmord in ihrem Kopf würde überhand gewinnen. Sie hatte sich immer für zu feige gehalten, um so etwas zu tun, aber nun konnte sie nicht mehr leugnen, dass sie sich für fähig hielt, der Sache ein Ende zu setzen.
Der Samstag kam und sie konnte ihren Eltern noch nicht einmal sagen, dass sie sich entschieden hatte. Sie hatte ihre Schulfreundin, die einzige, die sie noch hatte, gebeten, ihr zur Seite zu stehen. Es wurde einfach nur schrecklich. Sie sahen es nicht ein, dass die Liebe zu ihm stärker war als die zu ihnen. Ihre Mutter mimte einen Kreislaufkollaps oder sonst etwas, das hatte sonst immer funktioniert, um sie zu halten. Aber sie konnte nicht mehr. Wenn sie nicht aus diesem Haus kam, dann würde sie eingehen. Das Vertrauen, das ihre Eltern einmal in sie gehabt hatten, war eh dahin. Weg. Und sie würde nie offen mit ihnen mehr reden können, sofern sie das je getan hatte. Sie konnte keinen anderen Weg finden. Es wurde der schrecklichste Tag ihres Lebens. Der Streit war nicht mehr zu kitten. Aber nun wusste sie, wer alles auf ihrer Seite stand. All ihre Freunde waren gekommen, um ihr zu Helfen und auch seine Eltern waren für sie da, wie es ihre in der letzten Zeit nie getan hatten. Sie war todtraurig und überglücklich zugleich. Sie war erschöpft, konnte nicht mehr klar denken. Und laut der Aussage ihrer Freunde sah sie so schlecht aus wie noch nie. Aber das wusste sie nicht, denn sie hatte sich die letzte Zeit nicht mehr im Spiegel ansehen können, weil sie sich wie ein Verräter an seiner Liebe gefühlt hatte. Weil sie so lange gezögert hatte, den letzten Schritt zu tun. Doch den tat sie nun. Sie zog die Tür hinter sich zu und war sich voll und ganz bewusst, dass das das Kapitel Eltern gewesen war. Sie würden sich, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren wieder wie normale Menschen verhalten können und miteinander umgehen können. Bis dahin würde sie sich eben mit ihren Freunden und seiner Familie zu Hause fehlen. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, fühlte es sich an, als hätte sie in diesem Moment all ihre Wurzeln verloren, ihren Halt. Aber dennoch gab es noch ein anderes Gefühl, das Gefühl nun endlich sein zu dürfen, wie sie wirklich war, nicht wie sie andere sahen. Sie war so traurig, dass sie es nicht in Worte fassen konnte, sondern lediglich seine Nähe genoss, die er ihr gab, wie alles andere, das sie brauchte.
Ihre Freunde hatten ihr so geholfen, wie sie es noch nie im Leben von irgendwem erfahren hatte. Als sie bei seinen Eltern ankamen und die Haustür öffneten, wurde sie empfangen, wie die verlorene Tochter. Es war ein Gefühl des Zu-Hause-Seins wie damals, als sie zum ersten Mal zu ihm gekommen war. Alle nahmen sie mit offenen Armen auf und akzeptierten sie so, wie sie war. Kein Verstellen mehr. Ihre Tränen versiegten. Denn sie wusste, dass sie hier Menschen gefunden hatte, die nicht ein Bild in sie hineinprojizierten, davon, was andere nie werden konnten, es aber so gerne geworden wären. Hier konnte sie sein, wie sie war. Und das fühlte sie. Obwohl es ihr noch so schlecht gegangen war auf der Fahrt, fing sie an, sich wieder wohl in ihrer Haut zu fühlen. Die Bauchschmerzen hörten auf und sie fing an, Hunger zu empfinden. Etwas, das seit Tagen nicht mehr vorhanden gewesen war. All ihre Freunde waren um sie versammelt und auch ihre neue Familie war da. Alle kümmerten sich so liebevoll um sie, als wären sie nur dafür geschaffen worden. Er wich ihr nicht von der Seite und wenn er es tat, dann kündigte er es vorher so an, dass es schon fast klang, wie eine Frage um Erlaubnis. Erst gegen Mitternacht verabschiedeten sich ihre Freunde, nicht ohne noch einmal zu betonen, dass sie immer für sie da sein würden. Was ihr erneut die Tränen in die Augen trieb. Sie konnte es kaum fassen, dass sie solche Freunde verdient hatte. Sie war zu dem Zeitpunkt schon so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie ging zu Bett. Ihre erste Nacht in ihrem neuen Zuhause, wie er es nannte. Sie musste sich an den Gedanken erst noch gewöhnen. Sie hoffte, dass er das verstehen würde. Aber die Kisten überall und der Gedanke daran, was für ein Schlachtfeld hinter ihr lag, halfen ihr nicht gerade dabei, den Gedanken loszulassen.
Es war ein Glück, dass sie nicht allein war, sondern dass er an ihrer Seite war. Alleine hätte sie das nie geschafft. Es schien allerdings, als würde auch er zumindest von einer Angst geplagt. Er fürchtete, dass sie es ihm irgendwann einmal zum Vorwurf machen würde, dass er sie dazu gebracht hatte, ihr Elternhaus und ihre Familie zurückzulassen. Aber sie versprach, dass das nie passieren würde, denn sie wusste genau, dass dieser Krach, den sie jetzt hatten, sich eigentlich schon seit der Zeit nach dem Auslandsaufenthalt abgezeichnet hatte, nur ohne ihn hatte sie Angst gehabt, diesen Krach wirklich einzufordern. Schließlich war man bei ihr zu Hause ja stets darum bemüht gewesen, den Schein zu wahren und heile Welt zu mimen. Die Nacht war unruhig und sie wachte schon früh auf, aber er war immer noch da und nahm sie in den Arm, wenn sie einen ihrer Zitteranfälle bekam oder einfach nur wieder anfing, zu weinen. Sie war so furchtbar dankbar für seine Nähe, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie ihm das jemals würde zurückgeben können. Aber er beruhigte sie nur und versprach, dass es auch Phasen geben werde, wo er sie brauchen würde. Nur im Moment schien sie vorzugehen. Der Sonntag mit ihm verlief friedlich, sofern es ihr gelang, den Gedanken an das Vergangene auszublenden. Sie versuchte, einen normalen Alltag herzustellen, sofern es ihr möglich war. Es war sehr schwer. Aber bei einem Spaziergang, den die beiden nachmittags machten, konnte sie zum ersten Mal wieder ganz sie selbst sein. Sie fühlte sich so frei, wie schon sehr sehr lange nicht mehr. Das hatte sie alles den netten Menschen um sie herum zu verdanken, die ihr soviel Geborgenheit schenkten. Es war ein Gefühl wie im Traum. Doch der Traum wurde abends wieder zerstört, als sie eine Email ihres Vaters vorfand, die sich gewaschen hatte. Er machte ihr Vorhaltungen bis ins Unermessliche, dass sie sie alle enttäuscht und beleidigt hätte, und zu allem Übel noch für alle gesundheitlichen Schwierigkeiten verantwortlich wäre, die ihr Auszug ausgelöst habe. Alles stürzte wieder über sie herein. Der Schmerz war wieder da und sie konnte nicht anders und verbrachte schon wieder eine Nacht heulend in den starken Armen ihres Liebsten. Sie war so froh, dass sie ihn hatte und wusste nicht, wie sie das alles audrücken könnte. Aber er schien sie auch ohne Worte zu verstehen.
Die folgenden Arbeitstage wurden hart, aber sie war eigentlich um die Ablenkung dankbar. Denn so musste sie nicht lange darüber nachdenken, was geschehen war. Sie fing an, alle Behördengänge zu erledigen. Mit jedem Mal, das sie darüber nachdachte, wurde sie wütender auf ihre Eltern. Sie machten ihr Vorwürfe? Aber sie hatten sie doch vor die Wahl gestellt, es hatte keiner von ihnen verlangt, dass sie sich zwischen ihrer Tochter und einander entscheiden sollten. Sie sahen es wohl nicht ein. Zudem war sie drei mal sieben alt und man sollte wohl denken, dass man in diesem Alter schon ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Eltern pflegen kann, indem auch das Kind für voll genommen wird. Aber nein, das sahen sie nicht. Dass sie so gelitten hatte unter der Situation sahen sie nicht, dass sie kaum noch gegessen hatte, war in ihren Augen reiner Trotz. Das glauben sie doch wohl selbst nicht. Sie konnte es nicht fassen, dass Eltern ihren Kindern so etwas antun. Sie hatte immer gedacht, Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder, aber im Endeffekt hatte es hier wohl ins Gegenteil umgeschlagen. Das hier war einfach nur Kontrollzwang. Es war ja nicht nur so, dass er ihnen nicht passte, plötzlich waren auch noch alle ihre Freunde schlecht und manipulativ. Obwohl sie vorher doch so glücklich waren, dass sie Freunde hatte, die zu ihr passten. Sie konnte nur noch den Kopf schütteln ob solcher Ignoranz und soviel veralteter Denkweise. Egal wem sie es erzählte, alle waren auf ihrer Seite, natürlich war Blut dicker als Wasser, aber sowas kann man sich nicht bieten lassen. Ihr ganzes Umfeld verstand sie und unterstützte sie. Menschen, von denen sie jahrelang nichts gehört hatte, und mit denen sie nicht viel verband, erfuhren davon und konnten es nicht fassen, dass ihre Eltern so waren. Aber sie konnte es nicht ändern. Es war passiert und von nun an würde sie lernen müssen, sich um sich selbst zu kümmern. Auch wenn es sehr hart werden würde. Denn auch die Zukunft sah nicht einfach aus. Er würde weg gehen. Und sie riet ihm dazu, denn er würde sich dort ein Leben und eine Zukunft aufbauen können. Wenn sie denn irgendwann einmal fertig werden würde, so konnte sie sich ja dann um eine Stelle in seiner Nähe bemühen, wenn sie noch ein Paar wären. Und das würde sie tun. Denn nach dem ganzen harten Kampf, den sie für ihn und mit ihm gefochten hatte, war sie sich sicher, dass ihre Liebe so einiges überstehen konnte. Sie war sich seiner Liebe sehr sicher und vertraute ihm. Sie wusste, dass eine Fernbeziehung auf sie zukam, aber sie sah der Zukunft nicht mehr so pessimistisch entgegen wie zu Zeiten der Krise. Denn er würde zu ihr stehen, so wie sie zu ihm gestanden hatte. Die Zukunft sah nicht rosig aus, aber er hatte ihr eine gesunde Portion Optimismus geschenkt, von dem sie zehren wollte, solange es ging. Auch wenn sie immer noch Angst vor der nahen Zukunft hatte, in der die Regelung ihrer Angelegenheiten auf sie zukommen würde, so war es ihr doch nicht mehr bang vor der ferneren Zukunft, denn sie wusste, war sich tief in sich selbst sicher, dass sie einen Menschen gefunden hatte, der für sie durchs Feuer gehen würde. Der für sie da sein würde, wenn sie ihn brauchte. Ihre neue Familie. Ihre Planung ging wieder weiter als bis zum nächsten Wochende. Sie konnte sich mit dem Mann an ihrer Seite noch viel mehr vorstellen, als nur „mit ihm zusammen zu sein“. Das lag nicht nur an ihrer Dankbarkeit für ihn und seine Familie oder auch an ihrer Liebe zu ihm, nein, es lag vielmehr daran, dass sie sich sicher war, einen Menschen gefunden zu haben, der es ihr möglich machte, sich einfach einmal fallen zu lassen, die Maske zu Boden gleiten zu lassen, zu zeigen, wer sie war, weil sie wusste, er würde sie verstehen, sie anerkennen, sie lieben, wie sie war und bei ihr bleiben, solange es für beide das Richtige war.
Ob sich die Sache mit ihren Eltern noch einmal einrenken würde, würde die Zeit zeigen. Sie würde nicht auf sie zugehen, denn sie war sich keiner Schuld bewusst, außer der, dass sie schon viel früher, schon in ihrer Jugend, hätte aufmucken sollen und nicht immer alles hätte schlucken dürfen. Da ihre Eltern dies nicht einzusehen schienen, wäre es wohl an ihnen, den ersten Schritt zu machen. Dies zu tun bleibt deren Entscheidung. Wenn sie es nicht tun wollen, dann müsste sie eben ohne ihr Elternhaus auskommen. Aber da um sie herum nur liebenswerte Menschen waren, die ihr zeigten, was sie wirklich wert ist, würde sie auch damit leben können. Blut ist dicker als Wasser, aber manches Blut scheint so verdünnt zu sein, dass Wasser die bessere Alternative sein mag. Sie hatte sich für Wasser entschieden, denn das brauchte sie mehr als alles Andere zum Leben. Dieses Wasser brachte für sie die Freiheit zurück, die sie in den Monaten im Ausland kennen und lieben gelernt hatte; eine Freiheit, die sich nicht mehr aufgeben wollte, sondern für immer fest in ihren Händen halten wollte. Eine Freiheit, die auch durch die Liebe zu ihren Eltern, die früher einmal so unerschütterlich fest gestanden hatte, nicht zerstört werden durfte. Eine Freiheit, die sie sich mühsam und schmerzhaft erkämpft hatte und ohne die Unterstützung der Menschen um sie herum, nie erreicht hatte. Sie würde ihnen immer dankbar dafür sein.
Wow, das ist...heftig. Aber so schön geschrieben, dass es eigentlich verdient hätte, irgendwo "richtig" veröffentlicht zu werden. Mir jedenfalls war jede einzelne Emotion so klar, während ich es gelesen habe, dass ich richtig mitempfunden habe. Wenn du irgendwie noch Hilfe brauchen solltest...
(Irgendwie würd ich gerne einen besseren Kommentar abgeben, nur fällt mir grade keiner ein...)
danke. aber es geht schon irgendwie. hatte nur das bedürfnis, das alles irgendwie loszuwerden... war alles ziemlich heftig.... aber keine angst, ich überlebs... langsam aber sicher ;)