und hier kommt sie, die viel verlangte fortsetzung:
8 Eine zweite Chance?
Am Morgen nach dem Desaster wachte Patrick erst sehr spät auf. Nachdem er soviel Wein getrunken hatte, was er sonst nie tat, war das ja auch kein Wunder. Als er schließlich um kurz nach Mittag die Augen aufschlug, war alles mit einem Schlag wieder da. Er hatte Saskia so sehr enttäuscht, und sie hatte so toll ausgesehen und sich sicher schon unheimlich darauf gefreut. Und wie so oft hatte er mal wieder alles versaut. Es war zum Aus-der-Haut-fahren! Er quälte sich aus dem Bett, setzte sich mit einer Tasse schwarzem Kaffee an den Küchentisch, stützte den Kopf in beide Hände und dachte nach, wie er es wohl wieder gut machen könnte. Blumen? Ach, nein, das war aber auch zu abgeschmackt. Höchstens als Beigabe zu was Besserem. Pralinen? Nein, was für alte Damen. Er beschloss, in die Stadt zu gehen und sich umzusehen, ob er vielleicht etwas Besonderes für einen ganz besonderen Menschen finden würde. Mit einem Ruck stand er auf, und war schon zur Tür hinaus. Patrick irrte plan- und ziellos in Heidelberg umher, in der Hoffnung, dass sein Blick durch Zufall auf etwas ganz Spezielles fallen würde. Er kam an einem Blumenladen vorbei und blieb stehen, um sich das Schaufenster genauer anzusehen. Da stand ein riesiger Strauß Sonnenblumen, die herrlich gelb leuchteten und so fröhlich aussahen, dass Patrick sofort in den Laden trat und ihn für Saskia kaufte. Und das, obwohl er doch eigentlich etwas Originelles hatte kaufen wollen! Im Laden fügte er noch eine Karte hinzu und ließ die Blumen an Saskia liefern. Auf die Karte schrieb er: „Liebe Saskia, ich weiß, dass ich dich verärgert habe und das tut mir furchtbar Leid. Ich will es irgendwie wieder gut machen, aber dazu müssen wir uns sehen. Komm doch bitte morgen Abend ans Neckar-Ufer, direkt bei der alten Brücke. Ich warte da auf dich. Bitte komm und lass mich meinen Fehler wieder ausbügeln! Patrick“. Denn er hatte eine Idee… Die war ihm spontan gekommen, als er den Neckar-Strand gesehen hatte. Jetzt musste sie nur noch annehmen! Zuversichtlich trat er aus dem Blumenladen, weil er nun wusste, wie er es wieder gut machen konnte. Wenn sie annahm… Saskia hatte eine unruhige Nacht hinter sich gebracht. Zuerst hatte sie versucht zu schlafen, aber da sie sich nur schlaflos von einer Seite auf die andere drehte, hatte sie schließlich das Licht eingeschaltet und versucht, zu lesen. Aber ihre Gedanken waren ständig abgeschweift. Zu Patrick. Sie konnte den Gedanken daran nicht verdrängen, dass er gleich vermutet hatte, dass sie absagen würde, weil sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Sie konnte so etwas nicht nachvollziehen. Saskia war ein sehr positiv eingestellter Mensch, der erst einmal nur das Beste von seinen Mitmenschen annahm, bis diese das Gegenteil bewiesen. Natürlich hatte auch sie schon Enttäuschungen durchleben müssen, aber diese waren nie so in ihrem Gedächtnis haften geblieben, dass sie Auswirkungen auf ihr Leben und vor allen Dingen auf ihre Zukunft gehabt hatten. Sie konnte es fast nicht glauben, dass Patrick schon so viel mitgemacht hatte, das ihn so verbittert werden ließ. Und so pessimistisch. Schließlich war sie um kurz nach sechs aufgestanden, hatte sich einen Tee gemacht, sich in einen Wollteppich gekuschelt und vor die Stereoanlage gesetzt. Sie konnte sie ja ein Stück aufdrehen, ohne dass ihr Nachbar gestört wurde… Sie hörte Vivaldis Gloria D-Dur. Das half ihr immer beim Nachdenken und außerdem fand sie es genial. Nur schade, dass es so schnell schon vorbei war. Sie hörte es immer und immer wieder. Bis sie leise vor sich hin summte, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass die Gedanken abgestellt waren und sie sich vollends auf die Musik konzentrierte. Irgendwann hörte sie auf zu summen, unbewusst, ihr fielen die Augen zu und sie schlief in den Teppich gekuschelt auf dem Fußboden vor ihrer Stereoanlage mit dem Rücken ans Sofa gelehnt ein. Als sie wach wurde, konnte sie sich kaum noch bewegen, aber die Musik und die Entspannung hatten ihr gut getan. Musik brachte ihr meistens mehr als jedes Gespräch. Wenn sie mit der Musik allein war, konnte sie ihre Probleme lösen, ohne groß darüber nachzudenken. Sie schienen sich einfach in Luft aufzulösen. So auch dieses Mal. Denn als sie die Augen aufschlug, huschte er der Gedanke durch den Kopf „Warum soll ich mich eigentlich darum kümmern? Er hat es versaut, also soll er sich auch als erstes melden.“ Um kurz nach drei klingelte es an der Tür. Saskia schaute durch den Spion und da stand ein Mann mit einem Blumenstrauß. War dem Kerl doch tatsächlich nichts Besseres eingefallen als einen läppischen Blumenstrauß zu schicken? Sollte damit etwa das Problem vom Tisch sein? Das könnte dem so passen! Dennoch nahm sie sich ein Herz und öffnete die Tür, denn die armen Blumen konnten erstens nichts dafür und zweitens war der Strauß wirklich herrlich. Sie las die Karte und schüttelte den Kopf. Hatte sie also doch richtig vermutet. Aber er schien ja noch etwas vorzuhaben. Ob sie wirklich zum Neckar-Ufer gehen sollte? Eigentlich würde sie ihn ja gern etwas zappeln lassen. Er hatte ihr ja schließlich auch nicht vertraut. Auge um Auge… Aber da fiel ihr ein, was er wohl alles schon erlebt haben musste und sie wollte seine schlechten Erfahrungen nicht noch um eine erweitern. Deshalb fasste sie sich ein Herz und ging zum Kleiderschrank. Der sollte umfallen, wenn er sie sah!
Jaa, gebt einander noch ne Chance. Kommt schon, ich hasse so Missverständnisse (Und nun hören wir wieder auf, mit fiktionalen Personen geredet und sprechen lieber mit dem Autor) Schönes neues Kapitel, gefällt mir sehr gut :) Hoffentlich gibts bald mehr, ich freue mich schon auf das nächste!
Unentschlossen schaute sie sich jedes einzelne Teil in ihrem Kleiderschrank an. Immerhin war es November, also nicht unbedingt der Monat, in dem man sich am Neckar-Ufer traf. Nach langem Überlegen entschied sie sich für den legeren, aber trotzdem chicen Look. Sie fand eine strassbesetzte Jeans und einen weißen Rolli, der ihre Figur richtig in Szene setzte. Dazu steckte sie sich das dunkle Haar hoch und befestigte es mit einer weiteren glitzernden Spange. Ihre Lieblingsballerinas durften natürlich auch nicht fehlen. Sie betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Ja, der Abend konnte losgehen. Während sich Saskia noch Gedanken über ihr Outfit machte, arbeitete Patrick schon eifrigst. Sie hatten ja essen gehen gewollt an besagtem schwarzen Freitag, und da er nicht wusste, was er sonst machen könnte, war ihm die Idee gekommen, ein Picknick zu machen. Ja, im November. Er hatte alles organisiert. Heizstrahler, die wie kleine Sonnen aussahen. Einen dicken Teppich. Decken. Und natürlich hatte er selbst gekocht. Alles, was das Herz begehrte. Er liebte es zu kochen, und so hatte er wenigstens eine Gelegenheit gehabt, es mal wieder ausgiebigst zu tun. Als Saskia am Neckar-Ufer ankam, sah sie ihn schon von weitem. Er stand da, mit zwei Gläsern wein in der Hand. Um ihn herum, waren lauter Fackeln aufgestellt und in der Mitte dieses Kreises aus Fackeln lag eine Picknickdecke mit den feinsten Fressalien. Sie lachte. Ja, er hatte alles wieder gut gemacht. Sie trug es ihm nicht nach. Nicht mehr. „Vielen Dank, dass du überhaupt gekommen bist. Ich will dir noch mal sagen, wie schrecklich Leid es mir tut, dass ich so reagiert habe. Ich war wohl mit der Situation momentan etwas überfordert! Ich weiß nicht, ob du es verstehen kannst, aber ich habe manchmal meine Probleme damit, andere an mich heranzulassen.“ Saskia nickte nur. Oh, ja und wie sie das kannte. „Und das ist jetzt alles für uns?!“, fragte sie neugierig. Patrick schmunzelte und nickte. „Klar! Extra für dich. Alles, was das Herz begehrt.!“ Saskia trat näher, ging an Patrick vorbei und schaute sich mit großen Augen all die Schätze an, die Patrick hier zusammengetragen hatte. Als sie an ihm vorbeiging, hörte sie ein lautes Ausatmen. Sie lachte leise. Es schien ihm wohl echt Leid zu tun. Sie setzten sich auf die Decke und prosteten sich zu. Patrick las ihr alle Wünsche von den Augen ab. So etwas hatte Saskia noch nie erlebt. Dass sich jemand so aufrichtig um sie kümmerte. So schön. Sie war fast glücklich, dass es dieses Missverständnis gegeben hatte. Sonst würden sie diesen Abend wohl nicht so erleben. Noch dazu war es richtig warm, wegen der vielen Heizstrahler, die Patrick extra angeschleppt hatte, damit ihr nicht kalt wurde. Während Saskia auf ihrer selbst gemachten Quiche herumkaute, die sehr gut schmeckte, schaute sie sich um. Es war schön hier. Sie schien in Gedanken versunken. Patrick wünschte sich, er könnte Gedanken lesen. Er betrachtete schon die ganze Zeit ihr Gesicht. Sie sah so hübsch aus heute Abend. Er hoffte so sehr, sie würde wieder mit ihm sprechen. Dann hätte er wenigstens einen Grund, sie so anzustarren. Saskia wandte sich Patrick zu. „Das war eine gute Idee hier! Mir gefällt es. Du hast dir richtig viel Arbeit gemacht. Das hat noch nie jemand für mich getan…“ Patrick schaute sie aufmerksam an. „Es war mir eine Freude. Ich musste mich unbedingt richtig entschuldigen, für mein Verhalten, am letzten Freitag. Ich hab es echt nicht absichtlich gemacht, aber weißt du… Es gab da schon Situationen… Die waren sehr hart für mich und ich will sie nicht wieder erleben.“ Saskia wurde hellhörig. Konnte sie einfach nachfragen, was ihn hatte so abgeklärt werden lassen? Wer ihn so verletzt hatte, dass er niemanden mehr an sich herantreten lassen wollte? Sie musste einfach. „Willst du mir nicht davon erzählen?“ „Ich will dir aber nicht den ganzen Abend verderben.“, war die Antwort. „Nee, schieß los!“ Patrick schaute in den Nachthimmel, setzte sich bequem hin und fing gedankenverloren zu erzählen an: „Soviel gibt es eigentlich nicht zu erzählen. Es gab da mal ein Mädel, an dem ich sehr gehangen habe. Sie hieß Lena. Sie war riesig. Die lustigste Freundin, die ich jemals hatte. Zumindest, wenn wir allein waren. Aber immer, wenn ich mit ihr ausgehen wollte, hat sie ganz plötzlich und meistens ganz kurzfristig abgesagt. Am Anfang dachte ich noch, das wären alles unglückliche Zufälle. Aber wenn es öfter vorkommt, verstehst du, dann fragt man sich halt doch, was das soll. Und irgendwann hab ich es dann nicht mehr ausgehalten. Ich habe sie zur Rede gestellt. Und dann hat sie mir gesteckt, dass es daran liegt, dass sie sich schämt, mit mir wegzugehen. Weil ich manchmal komische Laute mache. Oder halt Gebärdensprache benutze.“ Patrick hielt inne. Saskia berührte ihn leicht am Arm; er sollte wissen, dass sie noch da war. Er schreckte aus seinen Gedanken auf, lächelte sie an und redete weiter: „Nicht schlimm, mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt. Aber sie war meine erste Freundin und wenn dir so etwas gleich mit der ersten passiert, wirst du vorsichtig.“ „Wie alt warst du damals?“, traute sich Saskia nach einem Räuspern zu fragen. „Sechzehn“, antwortete Patrick. „Guck nicht so verschreckt, ich war frühreif!“ Er hatte es verstanden, den melancholischen Ton, der sich eingeschlichen hatte, zu vertreiben. Er lächelte. „Aber lass uns von Schönerem reden. Ich will nicht mehr an sie denken. Sie hat mich damals schon genug Nerven gekostet!“ Saskia seufzte tief. Das erklärte einiges. Sie war ihm überhaupt nicht mehr böse, dass er so reagiert hatte. Sie konnte ihn sogar verstehen. Sie saßen einander auf der Decke gegenüber, plauderten über dies und das und versuchten, das leidige Thema zu umgehen. Plötzlich kamen ein paar Männer auf die beiden zu. Alle vier hatten Instrumente dabei. Geigen, Bratsche und Cello?! Dachte Saskia. Das war ja ein Streichquartett. Sie schmunzelte. Die Musiker machten sich bereit und fingen an zu spielen. Solche Lieder, die Saskia auch zu Hause in ihrer Sammlung hatte. Patrick schaute Saskia fragend an: „Sind die gut?“ Sie nickte. „Supergut! Und die spielen genau meine Musik. Welch ein Zufall!“ Patrick hatte ihre Worte von den Lippen gelesen und prustete los. „Von wegen Zufall…“ Auf Saskias zweifelnden Blick hin bemerkte Patrick: „Nun ja, also, ich hab mich heute Morgen in die Musikhochschule getraut und habe jeden einzelnen Musiker, der ein Streichinstrument in der Hand hatte, angesprochen. Erst drauf, ob er Zeit hat heute Abend, und dann musste er ja auch noch deine Lieder spielen können.“ „Aber woher wusstest du, welche Musik ich mag?“ „Deine CD-Sammlung hat dich verraten!“ Saskia schüttelte den Kopf. Sie konnte es nicht fassen. Der Mensch, der hier vor ihr saß, war das genialste, was ihr je über den Weg gelaufen war. Diese Ideen! Sie schaute ihn glücklich an und flüsterte: „Danke, so etwas hat noch nie jemand für mich getan!“ Patrick lächelte sie nur an. Seine Planung war voll und ganz aufgegangen. Sie war glücklich. Das war die Hauptsache. Und er war es auch. Er hatte es schließlich gleichzeitig geschafft, sich zu entschuldigen und ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Besser konnte es fast nicht mehr werden. Nach einer weiteren Stunde verließen die Musiker sie wieder. Es war ein schöner Abend gewesen. Aber Saskia machte sich, nachdem alles aufgegessen war, zum Aufbruch bereit. Sie drehte sich zu Patrick um, um ihm noch mal zu danken und ihn wissen zu lassen, wie sehr sie es schätze, dass er sich eine solche Mühe gemacht hatte. Er stand vor ihr und sah sie nur an. Ganz ernst, so wie noch nie zuvor. Saskia fühlte sich mit einem Mal irgendwie unwohl. Sie drehte sich von ihm weg und machte sich an den Picknick-Utensilien zu schaffen, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Sie hatte keine Ahnung, wo dieser Abend noch hinführen würde. Patrick hatte wohl gemerkt, dass da für einen Moment etwas zwischen ihnen gestanden hatte. Er versuchte, nicht allzu viel darin hinein zu interpretieren und half beim Aufräumen mit. Sie packten alles zusammen und liefen zu Saskias Auto, das nicht weit vom Neckar-Ufer geparkt war. Sie legten alles in den Kofferraum und stiegen, immer noch schweigend, ins Auto. Sie fuhren die nicht allzu lange Strecke nach Hause, Patrick holte seine Sachen wieder aus dem Kofferraum und beide gingen nach oben. An Saskias Wohnungstür angekommen, standen sie sich eine Weile verlegen gegenüber. Keiner von beiden wusste so richtig, wie man sich jetzt verabschieden würde. Schließlich nahm sich Saskia ein Herz, lächelte Patrick an und sagte: „Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder. Ich fand den Abend nämlich richtig klasse! Mit dir ist wirklich gut Spaß haben!“ Patrick fragte sich für einen kurzen Moment, ob er das als Kompliment nehmen sollte. Denn eigentlich wollte er mehr als nur spaßig sein. Aber er verscheuchte den Gedanken schnell wieder und lächelte zurück. „Klar machen wir das wieder! Kann das Kompliment nur wieder zurückgeben.“ Saskia hauchte ihm zwei Küsschen auf die Wangen und spurtete sich dann, in ihre Wohnung zu kommen. Zurück blieb ein verblüffter Patrick, der sich leise vor sich hin schimpfend an seiner Wohnungstür zu schaffen machte. „So ein Mist verdammter! Ich hätte sie vorhin einfach küssen sollen, am Neckar-Ufer! Aber nein, ich war ja mal wieder ein Feigling! Wie immer!“ Er knallte die Tür hinter sich zu, dass die Wände wackelten, ging schnurstracks zum Fernseher und schaltete ihn an. Vielleicht kam ja noch irgendein Krimi. Den könnte er jetzt vertragen. Ihm war einfach jetzt nach Mord und Totschlag.
Ja, ein Update! Die Idee mit den Musikern fand ich sooooo süß, natürlich konnte sie ihm da nur noch verzeihen :)...okay, ne Kussszene wär cool gewesen, aber ich find es nicht so negativ wie er, dass es keine gibt
und hier... für den fiesen betrachter in der hecke... es geht weiter...
10 Eine gute Nachricht?
In den nächsten paar Tagen sahen sich Patrick und Saskia kaum. Beide waren im Klausurstress und ständig an der Uni. Patrick dachte viel über den Abend am Neckar nach. Es war so schön gewesen, dass er sich danach sehnte, diesen Augenblick noch einmal zu erleben. Aber man kann halt die Zeit nicht zurückholen. Aber er traute sich auch nicht, abends einfach mal nach der Uni bei Saskia zu klingeln. Es war ihm schon schwer gefallen beim letzten Mal, aber jetzt konnte er sich gar nicht aufraffen, weil er fürchtete ihr auf die Nerven zu gehen. Saskia hatte ähnliche Probleme. Sie konnte immer noch nicht verstehen, warum sie so an Patrick hang, obwohl sie sich ja jetzt wahrhaftig noch nicht so lange kannten. Aber sie dachte sehr viel an ihn und wünschte sich, dass sie sich noch einmal sehen würden. Zwei Wochen später erhielt Saskia einen Anruf von ihrem Dozenten Professor Grandini. „Frau Kandinski? Ich würde Sie gerne zu einem Gespräch in meine Sprechstunde einladen. Ich habe eine sehr gute Nachricht für Sie, die ich Ihnen nicht am Telefon überbringen will. Hätten Sie vielleicht morgen gegen 14 Uhr Zeit?“ Saskia sagte verwirrt zu und legte auf. Was konnte er nur wollen? Sie hatte doch die Prüfung abgelegt. Und welche gute Nachricht könnte denn noch auf sie warten? Die Nacht wurde relativ hart für Saskia, weil sie nicht wirklich schlafen konnte vor Aufregung. Am nächsten Tag war sie natürlich viel zu früh an der Musikhochschule. Um viertel vor zwei hielt sie es nicht mehr aus und klopfte an der Tür von Professor Grandini. „Entschuldigen Sie, dass ich jetzt schon störe, aber ich war schon viel zu früh da und dachte mir, wenn Sie vielleicht jetzt schon Zeit hätten…?“ Grandini lächelte und bat sie herein. „Kein Problem. Ich bin eben aus der Mittagspause gekommen. Wir können unser Gespräch auch gerne jetzt schon beginnen. Setzen Sie sich doch.“ Saskia kam der Aufforderung nach, während Grandini schon mit dem Gespräch anfing. „Sie haben sich sicher über meinen Anruf gewundert, oder?!“ Saskia nickte nur. „Nun, Sie erinnern sich doch sicher noch an die Prüfung, in der Sie die Götterdämmerung gespielt haben?!“ Er fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Meine Kollegen und ich haben auf Grund Ihrer Leistungen in den vergangenen Prüfungen eine Empfehlung an das Orchester der Dresdner Oper, mit der wir, wie Sie sicher wissen, eng zusammen arbeiten, geschickt. Dieses Orchester hat sich die Mitschnitte Ihrer Prüfungen angehört und nun freue ich mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie angenommen wurden. Sie können Ihr Studium an der renommierten Musikhochschule dort neben einer Tätigkeit im Orchester weiterführen. Was halten Sie davon?“ Saskia starrte Grandini mit offenem Mund an. „Das – das – das ist nicht Ihr Ernst, oder?!“ war das erste, was sie nach der ersten Überraschung herausbrachte. „Doch, mein voller Ernst. Herzlichen Glückwunsch. Ihnen bleibt natürlich noch eine Woche Bedenkzeit, aber wenn Sie auf mich hören, nehmen Sie das Angebot mit Kusshand an. Denn es wird sich auf jeder späteren Bewerbung gut machen, wenn Sie behaupten können, dass Sie schon während Ihrer Studienzeit in diesem renommierten Orchester mitspielen durften.“ Saskia nickte. „Vielen Dank, Professor Grandini. Ich hoffe, ich kann Ihren Erwartungen gerecht werden.“ Sie erhob sich. „Wann muss ich mich wo melden?“ „Sie geben einfach mir Bescheid, ich werde mich dann mit den betroffenen Professoren und Stellen in Verbindung setzen, um Ihnen den Einstieg so einfach wie möglich zu machen.“ „Vielen Dank.“ Wie auf Wolken schwebend verließ Saskia das Büro ihres Dozenten. Sie nahm den nächsten Bus nach Hause. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Zu Hause angekommen, schloss sie die Haustür auf mit dem Gedanken, es gleich Patrick zu erzählen. Der würde sich sicher freuen… Doch mit genau diesem Gedanken kam ihr auch ein anderer. Sie würde hier alles zurücklassen müssen. Ihre Wohnung, die sie mit so viel Mühe eingerichtet hatte. Ihre Freunde, wenige Freunde, aber dafür echte. Und dann… Ja, dann war ja da auch noch Patrick, den sie zwar noch nicht so lange kannte, aber eigentlich wollte sie ihn jetzt nicht gleich wieder verlassen, schließlich verstanden sie sich ja so gut. Saskia grübelte, während sie die Treppen hinaufstieg. Nein, sie würde jetzt nicht gleich bei ihm klingeln. Sie musste sich erst selbst darüber klar werden, was sie wollte. Sie seufzte. Die ganze Zeit hätte es ihr nichts ausgemacht, hier wegzukommen, aber jetzt, jetzt war da halt jemand und den wollte sie nicht einfach so mir nichts, dir nichts zurücklassen. Sie verbrachte den ganzen restlichen Nachmittag damit, darüber nachzudenken, was zu tun war. Es war natürlich ein tolles Angebot und es wäre ihrer Karriere sicher förderlich, aber ob sie das um jeden Preis wollte. Sie begann sich einzugestehen, dass Patrick für sie vielleicht doch mehr sein könnte als nur ein Freund, ihr Nachbar. Sie grübelte und grübelte, bis sie endlich hörte, dass in der Tür der Nachbarwohnung der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und Patrick von der Uni nach Hause kam. Sie beschloss, ihm noch ein wenig Zeit zu geben, anzukommen und dann zu ihm zu gehen, um ihn um Rat zu bitten. Wie sie das genau machen wollte, war ihr mehr als unklar, aber dennoch – es musste sein. Eine Stunde später stand sie mit ein bisschen Knabberzeug und einer Flasche Wein bewaffnet vor seiner Tür, tat einen tiefen Atemzug und drückte den Klingelknopf. Hoffentlich konnte er ihr helfen. Patrick sah die Klingel und fragte sich, wer da wohl stören könnte. Er sah durch den Spion und lächelte. Mit Saskia hatte er nicht gerechnet, nachdem sie sich in den letzten beiden Wochen kaum gesehen hatten. Er schaute in den Spiegel, fuhr sich durch seine zerzauste Frisur, lächelte seinem Spiegelbild zu und öffnete die Tür mit den Worten „Mann, du?! Das ist aber eine feine Überraschung!“ Doch Saskia ging nicht auf seinen scherzenden Ton ein. Ganz ernst sagte sie: „Ich hab was mit dir zu bereden. Kann ich reinkommen?“
Ich schließ mich an. Menno, jetzt dacht ich grad, alles ist wieder gut und schon taucht das nächste Problem auf...naja ist auch eigentlich realistischer so :)
11 Kriegsrat Patrick trat erschrocken einen Schritt zurück. „Klar, komm rein. Was ist denn passiert? Du siehst ja nicht so fit aus heute!“ Saskia warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Danke, dir auch einen wunderschönen guten Tag!“ Patrick seufzte und ging voraus ins Wohnzimmer. Er holte zwei Gläser aus dem Schrank und füllte sie. „Was gibt’s denn so Dringendes?“ Er war richtig neugierig. In wenigen Worten schilderte ihm Saskia ihre Situation. Die Sache, dass sie auch seinetwegen ein klein wenig zögerte, behielt sie vorsichtshalber lieber für sich. Aber ansonsten sagte sie ihm alles, vor allem, dass sie eigentlich nicht gewillt war, ihr ganzes Leben in Heidelberg einfach so mir nichts dir nichts aufzugeben. Patrick hörte ihr schweigend zu. Zuerst lächelte er noch, als sie ihm von dem Angebot erzählte. Aber dann dämmerte es ihm, dass sie dann ja nicht mehr hier sein würde, dass die Wohnung neben ihm an jemand andern vermietet würde und dass zwischen ihnen beiden wohl gar nichts laufen würde. Er wurde immer nachdenklicher. Als Saskia geendet hatte, sah sie noch erschöpfter aus als vorher. Sie wusste wirklich nicht, was sie tun sollte. Und die Woche Bedenkzeit, die sie von Grandini, dem Grandiosen, gekriegt hatte, war ihr auch nicht unbedingt eine Hilfe. Sie schaute fragend zu Patrick hinüber, der auch relativ betroffen dreinschaute. Ging es ihm etwa ähnlich?! „Hm,“ sagte er nach einer Weile, „das ist echt eine Riesenchance für dich. Glückwunsch. Lass dir die nur nicht durch die Lappen gehen.“ Saskia hörte die Worte, aber es schwang ein Unterton mit, den sie nicht zu deuten wusste. Oder bildete sie sich diesen Unterton einfach nur ein?! „Ich weiß echt nicht, was ich tun soll. Ich will hier eigentlich nicht weg!“ gab sie zu. Patrick nickte. „Das kann ich verstehen. Hier ist es ja auch wunderschön.“ Er schien sie nicht verstehen zu wollen. Saskia seufzte. Patrick war ihr heute aber auch keine Hilfe. Sie stand auf. „Ich werd noch ein bisschen drüber nachdenken. Vielleicht komm ich ja zu einem Entschluss. Muss auch Grandini noch mal fragen, wie lange dieses Engagement denn gilt. Machs man gut. Ich geh jetzt noch ein bisschen spazieren, vielleicht macht das ja meinen Kopf etwas freier!“ Sie ging zur Tür und bevor Patrick noch etwas erwidern konnte, war sie schon verschwunden. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Jetzt hatte er endlich mal ein Mädel gefunden, das ihm wirklich gefiel und von dem er dachte, dass es echt was werden könnte und dann ging sie einfach fort. Nach Dresden. Für seinen Geldbeutel war das fast aus der Welt. Nach den Einrichtungskosten für seine Wohnung. Er musste sich die Sache wohl aus dem Kopf schlagen, denn selbst wenn zwischen ihnen was wäre, könnte er sie doch nicht bitten, seinetwegen auf den Karrieresprung ihres Lebens zu verzichten. Nein, so egoistisch würde er nie werden. Saskia wanderte rastlos durch Heidelbergs enge Gassen. Sie dachte ununterbrochen darüber nach, was sie tun sollte. Sie musste diese Chance einfach nutzen. Denn so eine Gelegenheit würde sich ihr wohl nie wieder bieten. Sie musste einfach gehen. Je mehr sie sich an diesem Gedanken festklammerte, umso schwerer fiel es ihr, fröhlich zu bleiben. Sie fing an zu weinen. Ihr war es egal, dass sie alle Leute anstarrten, die ihr begegneten. Die hatten sicher keine Probleme wie sie! Als Saskia zu Hause ankam, war sie müde, traurig und fest entschlossen, nach Dresden zu gehen. Sie schlich langsam die Treppe hinauf und ging auf ihre Wohnungstür zu. Was hing denn da?! Ein Zettel mit Patricks mittlerweile vertrauter Schrift! „Nimm deine Chance wahr! Aber versprich mir, dass du vorher noch mit mir ausgehst!“ Sie lächelte. Natürlich, den Gefallen würde sie ihm gerne tun. Als sie die Wohnung betrat, sah sie gleich das Blinken ihres Anrufbeantworters. Grandini, schon wieder! „Äh, guten Abend, Frau Kandinski, Grandini hier, schade, dass Sie nicht da sind. Ich habe gute Neuigkeiten für Sie. Sie können schon nächste Woche anfangen, wenn Sie möchten. Bitte geben Sie mir so schnell wie möglich Bescheid, ob Sie Interesse haben oder nicht. Dankeschön!“ Saskia seufzte und griff zum Hörer. Grandini hatte ihr absichtlich noch seine Privatnummer aufs Band gesprochen, damit sie ihn noch am gleichen Abend zurückrufen konnte. Nun, das würde sie denn dann auch tun. Sie sagte schweren Herzens zu.
12 Ein Abschied?! Wenige Tage später war Saskia auf dem Weg zu Grandinis Büro. Er hatte sie erneut zum Gespräch gebeten, weil endlich alle Details für ihren Wechsel nach Dresden geplant waren. Sie war schon irgendwie gespannt darauf, was sie da in der neuen Umgebung erwarten würde, aber so richtig wollte sie dann doch nicht weg. Sie war schon öfter mal eine Zeit lang weg von Heidelberg gewesen, mal drei Monate in London, mal sechs Monate in Paris, aber diesmal war einfach alles anders. Grandini hatte alles vorbereitet. Sogar die Zugtickets hatte er besorgt. Mit einem Funkeln in den Augen überreichte er sie ihr mit den Worten: „Darf ich Ihnen die als Geschenk überreichen? Ich würde nämlich gerne später behaupten dürfen, ich habe Sie berühmt gemacht!“ Saskia bedankte sich höflich, nahm die Tickets und verließ, nachdem alles geklärt war, zum letzten Mal das Büro von Grandini und den Gebäudekomplex der Musikhochschule Heidelberg. Es war schon ein seltsames Gefühl. Sie seufzte und marschierte weiter, ohne weitere Blicke zurück. Das hätte ihr den Abschied wahrscheinlich nur noch schwerer gemacht. Für heute Abend hatte sie sich mit Patrick verabredet. Er wollte sie schick ausführen, wie an dem rabenschwarzen Freitag eben. Sie hatte alles schon gepackt und musste sich praktisch nur noch hübsch machen. Sie hatte ihm auch versprochen, mit ihm tanzen zu gehen. So richtig, nicht in eine „Zappelbude“, wie Patrick Diskotheken so schön nannte. Er bevorzugte richtiges Tanzen, wie es ihm seine Mutter beigebracht hatte. Als sie zur verabredeten Zeit bei ihm klingelte, öffnete ihr ein Patrick, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Er hatte sich richtig in Schale geworfen. Das sollte wohl ein besonders schöner Abend werden. Sie lächelte. Er schaffte es doch immer wieder, ihr ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. „Fertig?!“ fragte sie. Patrick nickte. „Wir können los. Ich bin schon ganz gespannt auf das Lokal, das du ausgesucht hast.“ Saskia lächelte geheimnisvoll. „Du wirst es mögen.“ Und das tat er. Es war ein ganz kleines Restaurant, das schon seit hundert Jahren von einer einzigen Familie betrieben wurde. Die Tische standen alle in Nischen, so dass keiner vom Geschirrgeklapper am Nebentisch gestört wurde. Die Beleuchtung war dezent und nicht aufdringlich, genauso wie die Dekoration. Patrick war begeistert. Sie redeten sehr viel. Keiner beachtete sie und Patrick fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben wohl in einem Restaurant. Er hatte zum ersten Mal nicht das Gefühl, dass ihn jeder anstarrte, wenn er den Mund aufmachte. Auch die Bedienung war nett und höflich und hielt sich fein im Hintergrund. Schade, dass das das erste, und wahrscheinlich auch das letzte Mal war, dass sie in diesem Restaurant sitzen und zusammen essen würden. Sie sparten das Thema Dresden sehr säuberlich aus in ihren Gesprächen. Keiner der beiden wollte daran denken, dass das der letzte Abend sein würde, den sie, zumindest für eine längere Zeit, zusammen verbringen würden. Es war eine stumme Übereinkunft zwischen ihnen. Ihre Gespräche drehten sich mehr und mehr um einander. Jeder wollte soviel wie möglich über das Gegenüber wissen. Sie genossen den Abend sehr. „Und wo gehen wir jetzt hin?“, fragte Patrick nach dem Essen gespannt. Saskia hatte ihm nicht erzählen wollen, wo es hingehen sollte. „Sei nicht so neugierig,“ tadelte sie ihn mit einem Lachen in den Augen. „Du wirst es gleich sehen.“ Sie waren nicht sehr lange unterwegs, bis Saskia vor einer kleinen unscheinbaren Tür Halt machte. „Hier???“, fragte Patrick erstaunt. „Aber hier ist doch weit und breit nix zum Tanzen.“ „Wart’s ab!“, grinste Saskia und zog ihn hinter sich her, durch die Tür, eine Treppe hinunter. Und da konnte Patrick auch fühlen. Dieses Vibrieren hatte wieder angefangen. Er konnte es deutlich spüren. Saskia riss schwungvoll eine Tür auf und die beiden standen in einem sehr altmodischen, aber sehr gemütlichen Ballsaal, wo Paare aller Altersklassen miteinander tanzten. Es dauerte nicht lange, und Saskia und Patrick hatten sich auch unter die Tanzenden gemischt. Patrick hatte ihr vorher erklärt, dass das Tanzen für ihn eigentlich ganz einfach war. Solange er laute Musik hatte und eine Partnerin, die ihm den Takt auf die Schulter klopfte. Dank Saskias Taktgefühl und Patricks mysteriösem Gespür für Musik wurden bald die restlichen Tänzer auf das schöne Paar in der Mitte der Tanzfläche aufmerksam. Keiner der Anwesenden hätte ahnen können, dass Patrick taubstumm zur Welt gekommen war. Saskia fühlte sich wie im siebten Himmel. Der Abend hätte ewig so weiter gehen können. Sie tanzten stundenlang. Bis Saskia erschrocken auf die Uhr sah und feststellen musste, dass es schon nach Mitternacht war und sie nur noch einen Tag in Heidelberg hatte. Am Abend sollte sie mit dem Nachtzug nach Dresden aufbrechen. Gepackt hatte sie schon. In weiser Voraussicht. Damit sie den ganzen Tag noch mit Patrick genießen konnte. Patrick wurde immer nervöser. Dieses zarte Persönchen, das er da in den Armen hielt, wurde ihm immer wichtiger. Er wollte unbedingt noch den ganzen nächsten Tag mit ihr verbringen. Und vor allen Dingen mit ihr reden. Deshalb schaute er sie an und fragte: „Wollen wir gehen? Wir könnten heim laufen, wenn du willst.“ Saskia nickte. Patrick nahm ihre Hand und zog sie von der Tanzfläche in Richtung Garderobe. Wenig später standen sie unter sternenklarem Himmel auf der Straße und machte sich langsam auf den Heimweg. Patrick hatte wieder nach Saskias Hand gegriffen und Saskia fühlte sich mehr als wohl dabei. Sie wollte nicht viel reden, sondern einfach nur den Nachhauseweg genießen. Was sie auch tat, denn Patrick war sich durchaus bewusst, dass es schwierig war, gleichzeitig nebeneinander zu gehen und von den Lippen zu lesen. Er gab sich also für den Moment mit Händchenhalten zufrieden. Sie liefen über eine der Neckarbrücken, als Saskia plötzlich seine Hand drückte und ihn so zum Halt machen animierte. Sie drehte sich zu ihm und schaute ihm in die Augen. „Ich will dir nur sagen, dass heute Abend einer der schönsten Abende war, die ich je in meinem Leben verbracht habe. Ich wünschte, er wäre nie vorübergegangen. Danke.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. Patrick löste seine Hand aus ihrer, wischte ihr die Tränen aus den Augenwinkeln, mimte ein leises: „Was meinst du, wie es mir geht?“, das keine Antwort erforderte und küsste sie. Tausende von Gedanken schossen durch Saskias Kopf, als sie da mitten auf der Neckarbrücke standen. Am schlimmsten war der, der ihr immer wieder ein WARUM und WARUM JETZT zuflüsterte. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Nach dem Kuss schauten sie sich lange schweigend an, Patrick griff erneut nach ihrer Hand und sie setzten ihren Heimweg fort. Schweigend, wie vorher. An der Wohnungstür angekommen, standen sie lange eng umschlungen beieinander. Saskia hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und mittlerweile ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie hatte sich so schnell an ihn gewöhnt, sie vertraute ihm vollkommen, aber nun musste sie gehen. Das Leben war manchmal einfach ungerecht! Sie seufzte, löste sich von ihm und schaute ihn an. „Ich will heute Nacht nicht allein sein!“ Patrick nickte. Er auch nicht. Er schloss seine Wohnungstür auf und ließ sie vorgehen. Mitten im Flur drehte sie sich zu ihm um und sagte: „Ich will nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich brauche heute Nacht einfach nur eine starke Schulter!“ Patrick schmunzelte. Da kam wieder ihr Pragmatismus durch. „Keine Angst!“, erwiderte er. „Ich hatte den Satz auch nicht anders aufgefasst!“ Patrick griff nach ihrer Hand und zog sie ins Schlafzimmer. Er drückte ihr eines seiner T-Shirts in die Hand und sagte: „Hier, damit du siehst, dass ich es ernst meine. Ich geh mich umziehen. Bin gleich wieder da! Machs dir gemütlich!“ Saskia schaute ihm verwundert nach. Jeder andere hätte die Situation ausgenutzt. Nicht er. Er handelte ganz wie ein Kavalier der alten Schule und dachte tatsächlich erst über ihre Wünsche nach, bevor er seine eigenen in Erwägung zog. Als Patrick zurückkam, mit zwei Bechern heißer Schokolade in der Hand und im Pyjama, hatte sich Saskia schon ins Bett gekuschelt. „Rück mal ein Stück,“ forderte er sie feixend auf. „Ich will da auch noch rein!“ Sie lachte und rutschte ein Stück zur Seite. Er drückte ihr den Becher in die Hand und deckte sie beide zu. Sie prosteten sich, lustigerweise, zu und tranken schweigend aus. Saskia war trotz aller Aufregung furchtbar müde und merkte, wie ihre Augen schwerer wurden. Patrick sah es und schlug vor, jetzt schlafen zu gehen. Sie nickte nur. Er legte einen Arm um sie, zog sie näher zu sich und löschte das Licht. Eng aneinander gekuschelt schliefen die beiden weit nach Mitternacht ein.
13 Der letzte Tag Am nächsten Morgen wachte Saskia viel früher auf, als sie eigentlich erwartet hätte. Es war erst kurz nach acht. Neben ihr lag ein niedlich zerknautschter Patrick und schlief. Sie wollte ihn unter keinen Umständen aufwecken und bewegte sich daher so wenig wie möglich. Saskia betrachtete verträumt sein Gesicht und fing an über diese für sie so unverhofft eingetretene Situation nachzudenken. Sie musste heute Nacht los und das ließ sich auch, leider, nicht mehr ändern. Sie hätte es auch nicht ändern wollen, denn praktisch genommen war die Musik bis jetzt ihr einziger Freund gewesen und den wollte sie nur wegen einem Mann jetzt doch nicht verraten. Sie musste einfach fahren. Was würde aus ihnen beiden werden? Waren sie jetzt ein Paar? Konnte sie ihm vertrauen, auch wenn Hunderte von Kilometern zwischen ihnen lagen? Was ging in seinem Kopf vor? Fragen über Fragen und sie konnte sie nicht allein beantworten. Sie hasste das. Saskia hatte bis jetzt all ihre Probleme selbst lösen können, nur dieses schien die Arbeit von zwei Gehirnen zu erfordern. Sie atmete laut aus. Neben ihr rührte sich Patrick. Er stützte sich auf einen Ellbogen und schaute ihr ins Gesicht. „Morgen,“ murmelte er verschlafen. „Gut geschlafen?“ Saskia nickte. Er war ihr sehr nahe, aber er hatte sie trotzdem nicht wie im Märchen mit einem Kuss geweckt. Märchen sind halt doch nur Geschichten, dachte sie. Er fing sofort wieder an zu plaudern, darüber, was er heute noch alles vorhatte mit ihr, was er ihr alles zeigen wollte. Patrick hatte den letzten Tag bis ins kleinste Detail geplant. Zuerst würden sie frühstücken gehen, im teuersten Lokal der Stadt. Nach dem Frühstück hatte er Karten für eine Matinée besorgt: Peer Gynt Suite, oben im Schloss. Danach würden sie noch den Park ein wenig unsicher machen, sofern das Wetter mitspielte und dann musste Saskia schon gehen, denn sie hatte sich für den Abend mit ihren Eltern verabredet, die dem Abschied genauso wenig freudig entgegensahen wie Patrick. „Auf, raus aus den Federn. Wir haben noch ein volles Programm vor uns!“, sagte er deshalb jetzt munter und stand auf. „Der Tisch zum Brunchen ist für halb zehn reserviert. Also, los!“ Saskia bemerkte den betont munteren Ton. Sie wusste genau, dass er, wie sie, eigentlich mit den Gedanken woanders war. Wenig später saßen sie sich beim Frühstück gegenüber. Es war herrlich. Dennoch beschäftigte sich Saskia immer noch mit der Frage, wie weit sie sich als vergeben bezeichnen durfte. Aber sie war schon immer ein Feigling in Liebesdingen gewesen. Sie würde ihm diese Frage nie stellen. Sondern hoffen, dass er von sich aus den ersten Schritt auf sie zu machen würde. Aber ob er das noch an diesem Morgen wagen würde?! Saskia bezweifelte es. Die Matinée war toll. Saskia genoss jede Minute. Patrick rutschte nach einer Weile ein bisschen ungeduldig auf seinem Sitz herum, denn für seine Verhältnisse war die Musik zu leise und er konnte fast nichts spüren. Aber um Saskias willen harrte er aus bis zum Schluss, indem er sich einfach nicht auf das Vibrieren der Musik sondern auf Saskias Gesichtsausdruck konzentrierte. Sie schien wie in Trance, weit weg von der Realität zu sein. Und es schien ihr dort, wo auch immer sie gerade mit ihren Gedanken war, zu gefallen, was Patrick ihrem verzauberten Gesichtsausdruck entnahm. Zwischendurch schielte sie verstohlen aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber und flüsterte ein „Danke“ in seine Richtung. Er war stolz auf sich und seine Idee. Es genügte schon ein kleiner Blick von ihr und sein Leben war wieder in Ordnung. Was würde er nur ohne sie tun? Nach der Matinée war ihre Zeit leider schon um. Sie fuhr in den Nachbarort, wo ihre Eltern ein kleines Häuschen hatten. Sie hatte ein Bahnticket gekauft und nun standen sie sich gegenüber auf dem Bahnsteig. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte.